Von Zockern zu Zen-Meistern – Unser Volunteering im Kloster der Superlative


20.01.-06.02
Nach unseren Glücksspiel-Exzessen wird es jetzt Zeit, unsere Sünden reinzuwaschen. Es geht mal wieder ins Kloster! Wir haben nämlich einen Volunteering-Platz im größten buddhistischen Kloster Taiwans ergattert. Da wir ja immer auf der Suche nach neuen Erfahrungen sind, wollen wir uns so etwas Ungewöhnliches natürlich nicht entgehen lassen. Die einstündige Anreise mit dem Bus aus der Stadt verläuft problemlos. Das Kloster liegt außerhalb von Kaohsiung auf einem großen Hügel. Als wir mittags ankommen, gehen wir erst einmal in einem kostenlosen veganen Restaurant auf dem Klostergelände essen. Es gibt mindestens zehn verschiedene Gerichte in Buffetform – das lassen wir uns nicht entgehen! Danach werden wir zu unseren Zimmern gebracht. Da wir ja in einem Kloster sind, dürfen wir leider nicht zusammen schlafen. Es gibt ein Stockwerk für Männer und eins für Frauen. Kathi wird in einem Viererzimmer untergebracht, und Jonas hat ein komfortables Zweierzimmer ergattert. Nachmittags gibt es dann für alle Neuankömmlinge eine Infoveranstaltung mit anschließender Tour durchs Kloster. Wir lernen auch Hui Zan kennen, den Mönch, der praktisch für uns verantwortlich ist. Er scheint sehr sympathisch und ist sogar etwas jünger als wir. Hui Zan erklärt uns alles Nötige, was wir über die Klosteretikette wissen müssen. Zum Beispiel gibt es ganz bestimmte Regeln, wie man sich beim Mittag- oder Abendessen verhalten muss, wenn man dieses zusammen mit den Mönchen und Nonnen im großen Essensaal einnimmt. Man hat nämlich die Wahl, ob man im veganen Restaurant vom Buffet isst oder zusammen mit den Mönchen. Letzteres wird dann „formal dining“ genannt, also ein formales Essen. Dabei darf man nicht sprechen, und man soll auch generell keine Geräusche mit Besteck oder Stühlen machen. Es läuft so ab, dass zu einem bestimmten Zeitpunkt alle im Entenmarsch zu den Tischen in den Saal gehen (wenn er voll ist, passen 1.000 Personen hinein). Schon beim Herausschieben des Stuhls muss man diesen hochheben, um kein Geräusch zu machen. Dann gibt es Gesang, und Leute laufen herum, die einem Essen auf den Teller legen. Es gibt dabei bestimmte Zeichen, die man ihnen geben muss, wenn man zum Beispiel Nachschlag will. Sie sind blitzschnell und müssen sich irgendwie ohne Sprechen verständigen. Innerhalb von 20 Minuten sind alle Leute (es sind meist ein paar Hundert) abgefertigt und verlassen relativ zügig wieder den Saal. Am ersten Tag haben wir uns richtig gehetzt gefühlt, weil wir mit den Stäbchen einfach nicht so schnell essen konnten wie die geübten Mönche und Nonnen. Ganz schön gewöhnungsbedürftig, aber nach ein paar Tagen genießen wir das Spektakel richtig.


Zurück zur Einführung. Nachdem uns Hui Zan alles erklärt hat, machen wir eine Tour über das Gelände. Da wird uns erst klar, wie groß dieses Kloster ist. Falls ihr euch ein oder zwei Gebäude vorgestellt habt, habt ihr euch mächtig geirrt. Es ist mehr wie eine Stadt. Auf Anfrage wird uns gesagt, dass das Gelände so groß ist wie 30 Fußballfelder. Das Kloster ist auch eine große Touristenattraktion. Deshalb gibt es unzählige Restaurants und sogar einen Starbucks. Wir sehen gleich, dass dieses Kloster nicht gerade arm ist. Alles ist brandneu und sehr schön gestaltet. Es gibt viele Grünanlagen und goldene Schreine.

Am Tag unserer Ankunft gibt es dann auch noch etwas Besonderes zu sehen. Da in der darauffolgenden Woche große Festlichkeiten aufgrund des chinesischen Neujahrsfestes im Kloster anstehen, dürfen wir die Generalprobe einer großen Lichtershow beim sogenannten Buddha-Museum sehen. Das Museumsareal ist enorm riesig, mit einem großen Platz in der Mitte, wo die Show stattfindet. Wir fühlen uns fast wie auf einem Festival!

Die darauffolgenden Tage werden ereignisreich. Es gibt für die Freiwilligen nämlich auch ein spezielles Programm, das zusammengestellt wurde, um uns einen schönen Aufenthalt zu bereiten. Ein Programmpunkt ist zum Beispiel das Basteln von Handfächern, die wir mithilfe einer bestimmten Technik in gefärbtes Wasser tauchen.

Außerdem entdecken wir am zweiten Tag auch unseren Lieblingsplatz im Kloster. Auf dem höchsten Berg des Areals liegt ein kleines Café, in dem es den schönsten Ausblick auf das Kloster gibt. Die kostenlosen Getränke und Snacks dort sind natürlich auch nicht zu vergessen. Im Hintergrund läuft immer entspannende Meditationsmusik. Dorthin werden wir mindestens einmal pro Tag gehen, um zu lesen oder sonstige Dinge am Laptop zu erledigen.

Kathi lässt sich vom Kloster beim Malen inspirieren

Ach ja, wir sind ja auch zum Arbeiten hier! Die erste Woche vor den Feierlichkeiten verläuft sehr ruhig, und wir müssen wirklich nicht viel tun. Einmal müssen wir in der Küche helfen, um Essen auszugeben. Ein anderes Mal müssen wir einen Raum putzen, der eigentlich gar nicht schmutzig ist. Aber gut, wir wischen ein bisschen herum, und die Nonnen, die uns die Aufgaben geben, sind zufrieden. Das Süßeste ist eigentlich immer folgendes: Nach jeder erledigten Schicht bedanken sich die Nonnen und servieren uns Tee oder Kaffee und Snacks. Snacks sind generell ein großes Thema im Kloster. Es gibt sie überall, und bei jeder Gelegenheit werden uns welche angeboten. Wer kann da schon Nein sagen?

Nach einer relativ ruhigen und entspannten Woche beginnen dann auch schon die Feierlichkeiten. Das Programm ist wirklich immens.

Am Abend, bevor täglich Tausende Besucher das Kloster besuchen, haben wir ein großes festliches Abendessen mit allen Mönchen und Nonnen. Dafür werden die Tische und Stühle im großen Saal umgestellt, sodass man zu zehnt an Tafeln sitzt. In der Mitte steht ein großer Topf mit heißer Brühe und allerlei Gemüse und Tofu.

Das Thema Tofu ist ja auch eines für sich hier. In Deutschland kennen wir ja wirklich keine große Variation an Tofu. Es gibt eigentlich nur den weißen Block in Natur und geräuchert. Hier sind die Variationen, Texturen und Geschmäcker schier unendlich. So etwas haben wir noch nie erlebt. Aber zurück zur Festlichkeit: Es gibt eine große Show aus Sängern und Tänzern, und hohe Tiere des Klosters halten Reden. Außerdem gibt es zusätzlich zum heißen Topf ein riesiges Buffet, bei dem es von Pizza bis hin zu sämtlichen Variationen an Gemüse alles gibt.

In den darauffolgenden Tagen merken wir schnell, dass wir jetzt auch ein bisschen mehr arbeiten müssen (manchmal ganze fünf Stunden!!!). Einmal müssen wir an einem der Eingangstore stehen und zählen, wie viele Besucher hereinkommen. Ein anderes Mal stehen wir an einem Blumenstand und bieten Menschen Topfblumen an, die dann an den Altar mit einem Buddha gestellt werden. Wieder ein anderes Mal stehen wir an einem Stand und bieten kostenlosen Kaffee an.

Euch ist bestimmt schon aufgefallen, dass hier so vieles kostenlos ist. Es läuft praktisch alles auf Spendenbasis, an jeder Ecke sind Spendenboxen zu finden. Gespendet wird anscheinend recht fleißig, sonst könnten wir uns nicht erklären, wie pompös hier alles ist. An einem Tag hat Jonas einen besonders schönen Job. Er und ein paar andere gehen über den riesigen Essensmarkt und bekommen an jedem Stand etwas zum Probieren. Das wird dann als Promovideo gefilmt und auf den sozialen Medien des Klosters (ja, die sind ganz schön modern!) veröffentlicht.

Die Woche vergeht wie im Flug, und wir können viel am vielseitigen Programm teilnehmen.

Als wir mal wieder in unserem Lieblingscafé am Berg sind, werden wir von einem Mönch aus Indien und einem Singalesen, der hier im Kloster Buddhismus studiert, zu ihnen an den Tisch eingeladen. Wir unterhalten uns angeregt über den Buddhismus und auch andere Themen wie die Ehe. Sie sind ganz interessiert und begeistert von unseren liberalen Ansichten und kritisieren fragwürdige Konzepte wie die Zwangsehe, die in ihren Ländern leider zur Normalität gehören. Zum wiederholten male (wie auch schon im Kloster in Thailand) werden wir darüber aufgeklärt, dass der Buddhismus sich zum höchsten Ziel setzt, Dinge zu hinterfragen und immer wissenschaftlich zu denken. Man müsse auch nicht mit allen Facetten des Buddhismus übereinstimmen, sondern nur so weit wie es für einen selbst wertvoll und positiv ist. Auch soll er eigentlich nicht als Religion gesehen werden, sondern al eine Art des Lernens und der Weiterentwicklung. Wir können dessen viel Positives abgewinnen und schätzen, dass der Buddhismus großen Wert auf Achtsamkeit legt, eine Tugend, die ja heutzutage eh sehr im Trend zu liegen scheint. Der Buddhismus scheint wirklich mehr mit der Zeit zu gehen als andere Religionen denken wir uns. 

Langsam neigt sich unsere schöne Zeit dann leider dem Ende zu. Wir werden auf jeden Fall nicht vergessen, wie freundlich die Menschen im Kloster waren, wie viele kleine Geschenke wir von allen möglichen Menschen bekommen haben und wie aufmerksam und rücksichtsvoll hier alle miteinander umgegangen sind.

Wieder einmal entpuppt sich eine Volunteering-Gelegenheit als etwas, an das wir uns noch lange positiv zurückerinnern werden. Der Abschied fällt uns schon ein bisschen schwer, aber wir freuen uns auch riesig auf Vietnam – denn da geht’s als Nächstes hin! Bleibt dran!

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Hier folgen noch ein paar Fotos nach unserem Klosteraufenthalt:


2 Antworten zu “Von Zockern zu Zen-Meistern – Unser Volunteering im Kloster der Superlative”

  1. Lange nichts mehr gehört. Hab es mir selber gesucht. Finde alles sehr faszinierend. Aufregend. Schöne Bilder. Ich glaube, dass ist das Erlebnis des Lebens. Das kann euch niemand wegnehmen. Genießt die Zeit.
    Wunderschön, bin ein bisschen neidisch. Grüsse Anita

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