Pisco und San Pedro bei Roberto – Unvorhergesehene Freuden sind die Süßesten


07.04 – 14.04
Unser nächstes Abenteuer beginnt ebenfalls in einem kleinen Bus. Die Fahrt im heruntergekommenen Gefährt dauert zwar nur knapp eine Stunde, ist jedoch trotzdem recht unangenehm. Irgendetwas scheint mit dem Getriebe nicht zu stimmen, da es unabhängig von der holprigen Straße sehr ruckartig beschleunigt. Jonas erinnert sich an seine ersten Autofahrten mit seinem Vater. Da Jonas damals das mit der Gangschaltung noch nicht so gut konnte und deshalb das Auto teilweise recht ruckartig fuhr, hatte sein Vater damals immer scherzhaft gesagt, ob er Kangaroobenzin getankt hätte, weil ein Kangaroo sich auch so sprunghaft fortbewegt. Wie auch immer, zurück zum Thema. Nuevo Tingo, auf Deutsch „Neues Tingo“, ist ein recht junges Dorf auf einem Berg.

Das beschauliche Städtchen Nuevo Tingo

Das alte Tingo, werden wir später erfahren, wurde vor vielen Jahren wegen eines Erdrutsches zerstört. Wieder bildet das Zentrum des Platzes ein kleiner quadratischer Park. Dort sind viele Büsche, welche in den verschiedensten Formen zugeschnitten wurden. Wir sehen Gesichter und lustige Tiere. Nach einem fünfminütigen Fußmarsch erreichen wir auch schon unser Hostel. Unser Gastgeber Roberto empfängt uns herzlich. Er erzählt uns, dass er sich vor ein paar Monaten die Bänder gerissen hat und deshalb mit Krücken rumlaufen muss. Sehr schnell kommen wir mit Roberto ins Gespräch. Seine offene und freundliche Art gibt uns das Gefühl, als würden wir einen alten Freund besuchen. Wir sind auch die einzigen Gäste im Hostel, da es eh nur ein Zimmer mit einem Einzel- und einem Doppelbett gibt, also perfekt für uns drei. Für mehr Leute ist eh kein Platz. Kurz nach unserer Ankunft will er uns einen Aussichtspunkt zeigen, zu dem wir circa 10 Minuten zu Fuß laufen müssen. Obwohl Roberto auf Krücken ist, kann er fast mit unserer Geschwindigkeit mithalten. Der Aussichtspunkt ist wirklich atemberaubend. Bald darauf fragt uns Roberto, ob wir gerne kiffen. Jonas und Graham freuen sich und sagen gleich, dass sie am Start sind. Nach einem kurzen Abstecher zurück zum Hostel, um Bier zu kaufen und ein wenig Gras zu rauchen, bietet uns Roberto an, gemeinsam in den nächsten Tagen San Pedro zu konsumieren. Dies bedeutet zwei Tage lang kein Fleisch, keinen Kaffee und keinen Alkohol, sowie am Tag zuvor nur ein leichtes Mittagessen, um bis zum nächsten Tag zu fasten. In Peru hat San Pedro eine tiefe spirituelle und kulturelle Bedeutung. Der San Pedro Kaktus wird von indigenen Völkern seit Jahrhunderten für spirituelle Rituale und Heilungspraktiken verwendet. Die Einnahme von San Pedro wird oft als Möglichkeit betrachtet, eine Verbindung zu den spirituellen Ebenen herzustellen, Einsicht zu gewinnen und Heilung auf körperlicher, geistiger und emotionaler Ebene zu erfahren. Wir freuen uns, dass wir mit Roberto die Möglichkeit haben, dieses Ritual durchzuführen, doch dazu später mehr. Am nächsten Tag machen wir unsere erste Wanderung. Wir müssen auch einen Fluss mit einer Art Seilbahn überqueren, die von einem Bauern gezogen wird.

Danach müssen wir steil bergauf gehen, um die archäologische Ausgrabungsstätte zu erreichen, die wir uns für diesen Tag vorgenommen hatten. Wir können Überreste von alten Häusern erkennen, welche zur Kultur der Chachapoyas gehörten. Nach der Besichtigung (wieder mal waren wir die Einzigen weit und breit) machen wir uns wieder auf den Weg zur Farm, damit wir von dort aus wieder den Fluss überqueren können. Bevor wir das tun können, wollen der Bauer und seine Frau uns jedoch erst noch die Zimmer zeigen, die sie zu vermieten haben. Das Haus, in dem die Zimmer sind, ist den runden Häusern der Chapapoyas von früher nachempfunden. Außerdem lassen sie uns nicht eher gehen, bevor sie uns nicht mit etlichen frisch vom Baum gepflückten Orangen und Mandarinen gefüttert haben.

Somit geht wieder ein toller Tag zu Ende, bevor am nächsten Tag auch schon die Besichtigung von Kueláp ansteht, einer der wichtigsten Ausgrabungsstätten in der Gegend. Diese befindet sich hoch in den Bergen und erinnert von der Location her ein bisschen an Machu Picchu. Jedoch sind die runden Häuser der Chapapoyas anders als die Bauten des berühmteren Bruders weiter im Süden von Peru. Eigentlich haben wir vor, den Weg bis nach oben zu wandern, während Graham mit der Gondel fahren will. Jedoch scheint Kathi an dem Tag nicht so ganz fit zu sein, weswegen wir uns dagegen entscheiden, die circa fünfstündige Wanderung mit über 1.300 Höhenmetern auf uns zu nehmen. Die Fahrt mit der Gondel erweist sich als wunderschön, da wir in absoluter Ruhe das tolle Panorama genießen können. Oben angekommen müssen wir circa noch 45 Minuten wandern. Der Weg dorthin ist noch nicht ganz fertig und sehr schlammig. Leider kann man im Moment nur einen Teil der Ausgrabungsstätte besichtigen, da ein Teil renoviert wird. Aber das ist kein großes Problem für uns, da wir mit unserem abgelaufenen (Kathi) und gefälschten (Jonas) Studentenausweisen nur circa 3,50 Euro pro Person zahlen, da keiner hier so genau hinschaut. In Peru bekommt man oft 50 Prozent Rabatt als Student, worüber wir uns sehr freuen, wir alten Sparfüchse. Die Zeit in der Stätte ist auf 90 Minuten begrenzt, und wir nutzen die Zeit voll aus, da die Aussicht toll ist.

Am Abend im Bett merkt Graham dann, dass eine seiner beiden Kreditkarten weg ist. Er muss sie wohl bei der letzten Bargeldabhebung im Bankautomaten stecken haben lassen. Na toll! Schon der Zweite in unserer Gruppe mit verlorener Karte! (Jonas hatte eine seiner Karten bei der ersten Bargeldabhebung in Kolumbien stecken lassen.) Graham weigert sich natürlich auch, zukünftig mit seiner anderen Kreditkarte Geld abzuheben, da er hier mehr Gebühren zahlen muss. Deshalb will er lieber einem Freund von sich 2000 Dollar per PayPal schicken, um sich das Geld dann von ihm über MoneyGram nach Peru schicken zu lassen. Sein sensationeller Plan ist dann, immer mit dem ganzen Bargeld rumzulaufen. Ob das wohl gut geht? Wir werden sehen! Am nächsten Tag geht es dann auch schon daran, den San Pedro vorzubereiten. Dazu muss man die dicken Kakteen zerkleinern, die Stacheln und die Schale entfernen. Unter der Schale ist dann auch die halluzinogene Wirkung zu finden. Wir müssen im Anschluss die Schale für 10 Stunden auskochen. Dies geschieht in der Nacht. Roberto teilt uns in Schichten ein, damit immer einer von uns den Herd mit dem Gebräu überwachen kann.

Am Morgen ist das Wasser dann so weit verdunstet, dass so viel übrig bleibt, dass jeder ein Glas mit der eingekochten Flüssigkeit bekommt. Nachdem wir den Garten für die Zeremonie vorbereitet haben, kann es schon losgehen. Zuerst werden wir von Roberto mit einem besonderen Duftholz eingeräuchert. Dann trinken wir die bittere Flüssigkeit und neutralisieren den schrecklichen Geschmack mit einer Orange. Ab jetzt heißt es warten. Roberto versucht derweil ein Lagerfeuer zu machen. Leider hält das schöne Wetter vom Vormittag nicht lange an. Deshalb verziehen wir uns bald mit ein paar Decken zu den überdachten Hängematten im Garten. Kathi merkt als Erste etwas. Ihr wird schlecht. Das ist aber normal. Anscheinend gehört es dazu, sich zu übergeben. Roberto sagt, man solle aber versuchen die Flüssigkeit circa eineinhalb Stunden im Körper zu lassen. Während der Regen niederprasselt, hat Graham nichts besseres zu tun, als in Boxershorts im Garten rumzuhüpfen. Dabei macht er äußerst komische Bewegungen. Aber das ist ja nichts Neues. Auch wenn er gerade keine psychedelischen Substanzen in seinem Körper hat, verhält er sich oft etwas eigenartig. Wie zum Beispiel tiefes ein- und ausatmen, ulkige Tanzeinlagen oder nicht endend wollende Monologe. Im Anschluss an seiner Tanzeinlage im Regen legt er sich halb nackt auf den Boden. Wir schauen uns das Spektakel von den überdachten Hängematten an. Auch bei uns fängt der Kaktus langsam an zu wirken. Der Himmel hat lustige Formen und Farben. Da wir ja seit 24 Stunden nichts mehr gegessen haben, bekommen wir auch richtig Hunger. Roberto meint jedoch, dass wir nichts essen sollen, weil dann die Wirkung weggeht beziehungsweise unser Magen ohnehin schon reichlich mit dem Verdauen des Kaktusses beschäftigt ist. Getrieben von unserem Hunger, versuchen wir dennoch heimlich einen Joghurtdrink aus dem Kühlschrank zu trinken. Jedoch erwischt uns Roberto. Verdammt! Irgendwann gibt er jedoch auf und lässt uns endlich essen. Wir verzehren etliche Früchte, Puffreis, der für uns aussieht wie Maden, und den lang ersehnten Joghurtdrink. Da Roberto ja auf Krücken ist, kann er sich leider nicht fortbewegen. Wir haben jedoch Lust, uns etwas die Füße draußen zu vertreten, um zu sehen, was sich außerhalb von Robertos Garten abspielt. Sobald wir draußen sind, kommen wir auf die glorreiche Idee, Bier zu kaufen. Es schmeckt ausgezeichnet. Nachdem jeder von uns etwa drei Dosen Bier getrunken hat, gehen wir zurück zu Roberto. Der hat in der Zwischenzeit telefonisch einen Haufen Käse bestellt. Den lassen wir uns dann auch noch schmecken. Danach haben wir Lust, Wein zu trinken. Dazu gehen wir alle zusammen in einen kleinen Tante-Emma-Laden, der auch Wein verkauft. Obwohl wir nur kurz verweilen wollen, bleiben wir etwa vier Stunden und leeren eine Rotweinflasche nach der anderen. Wir haben einen Mordsspaß. Vor dem Nachhausegehen nehmen wir sogar noch eine Flasche mit. Bei Roberto geht es dann in der Küche weiter. Jonas nimmt das Sprichwort „Party bis zum Umfallen“ ein bisschen zu wörtlich. Anscheinend war der Mischkonsum dann doch etwas zu viel. Als er aufstehen will, wird er ohnmächtig und sackt zusammen. Bald darauf ist er aber wieder auf den Beinen und putzmunter. Also kein Grund zur Sorge. Dennoch verabschiedet er sich unmittelbar danach, um ins Bett zu gehen. Kathi macht mit Roberto zusammen am längsten, kommt aber 30 Minuten später ebenfalls ins Bett. Sie kommt so dermaßen betüdelt zurück, dass sie es nicht einmal mehr schafft, sich auszuziehen, geschweige denn sich unter die Decke zu legen. Ab jetzt beginnt der gemeinschaftliche komatöse Ausnüchterungsschlaf. Was für ein lustiger Tag!

Da es uns so gut bei Roberto gefällt, beschließen wir, auch noch über das ganze Wochenende bei ihm zu bleiben. Er zeigt uns, wie man peruanisch kocht, wie man Pisco Sour mixt (peruanisches Nationalgetränk), oder nimmt uns mit zur Luxuslodge inklusive riesigem Pool von einer Freundin. Nach einer Woche wird es dann Zeit, weiterzuziehen. Noch nie haben wir uns bei jemandem so wohlgefühlt. Es war nicht wie in einem Hostel, sondern vielmehr wie bei einem Kumpel zu Hause. Da wir die ganze Zeit seine einzigen Gäste waren, war das ganze sehr familiär.

Roberto ist selbst viel um die Welt gereist. Dabei hat er sein Geld mit selbstgebasteltem Schmuck und jonglieren verdient. Hier eine Geschmacksprobe.

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