Vom Surfdrama zur Hahnenjagd: Kultur und Schlafentzug auf Lombok


22.11-01.12.
Die Überfahrt von Gili Air zur benachbarten Insel Lombok gestaltet sich für uns überraschend einfach. Nach einer etwa zehnminütigen Bootsfahrt erreichen wir den Hafen und nehmen ein Taxi nach Mataram. Dort verabschieden wir uns von Graham und setzen unsere Reise alleine Richtung Südküste fort. Besonders Jonas fiebert der Möglichkeit entgegen, das Surfen erneut auszuprobieren. Die ersten beiden Nächte in der Küstenstadt Kuta verbringen wir in einem Hostel mit Pool. Bei unserer Ankunft in Kuta fällt uns sofort auf, dass die Stadt im Wandel ist. Überall wird gebaut – ein klares Zeichen dafür, dass sich Kuta auf einen zukünftigen Touristenansturm vorbereitet. Das einst von Reisfeldern umgebene Hostel, das wir online entdeckt hatten, liegt nun mitten im Baulärm. Wir lassen den Tag dennoch entspannt ausklingen und genießen die Annehmlichkeiten unserer komfortablen Doppelkapsel. Währenddessen schmiedet Jonas eifrig Pläne für den nächsten Tag. Laut seinen Recherchen bietet die Region rund 20 verschiedene Strände, die sich für Surfer aller Könnerstufen eignen – von sanften Wellen am Ufer bis hin zu Spots, die nur per Boot erreichbar sind. Doch je mehr er sich durch widersprüchliche Google-Rezensionen wühlt, desto unsicherer wird er. Berichte über eine Strand-Mafia und aggressive Parkplatzwächter sorgen zusätzlich für Verunsicherung. Schließlich rät Kathi ihm, einfach loszufahren und vor Ort andere Surfer um Tipps zu bitten. Am nächsten Morgen mieten wir uns einen Scooter ohne Nummernschild – was laut dem Rezeptionisten völlig unproblematisch sei – und machen uns auf den Weg zu einem etwa 30 Minuten entfernten Strand.

Den ominösen Parkplatzwächter, von dem in den Bewertungen die Rede war, umgehen wir, indem wir etwas abseits parken. Doch am Strand angekommen, bestätigt sich Jonas’ Befürchtung: Die Wellen sind winzig und brechen nur knapp vor dem Ufer. Enttäuscht beschließen wir, einen anderen Strand anzusteuern, auch wenn dieser schwieriger zu erreichen ist. Bereits am Beginn der Zufahrtsstraße werden wir von einem Bauarbeiter gewarnt, dass die Straße erneuert wird. Dennoch dürfen wir passieren, was sich bald als holpriges Abenteuer herausstellt. Die Strecke verwandelt sich in einen Schotterweg voller Geröll, aber die atemberaubende Landschaft mit Palmen und grasenden Kühen entschädigt uns.

Nach der anstrengenden Fahrt erreichen wir einen paradiesischen, menschenleeren Strand.

Außer uns sind nur drei Surfer vor Ort, doch die hohen, weit draußen brechenden Wellen sind für Jonas heute einfach zu viel. Stattdessen genießen wir die Ruhe und erkunden später weitere Ecken der Gegend. Ein kleines Café mit herrlichem Blick auf eine Meeresbucht wird unser persönliches Highlight.

Am folgenden Tag gelingt es Jonas schließlich, surfen zu gehen. Zusammen mit zwei spanischen Anfängern mietet er ein Boot, das sie zu einem geeigneten Spot bringt. Doch nach kurzer Zeit meldet sich seine alte Schulterverletzung zurück – eine Erinnerung an einen Vorfall in Sri Lanka vor zwei Jahren. Jonas beschließt, das Surfen künftig sein zu lassen und sich wieder anderen Sportarten wie Wandern oder Yoga zu widmen.

Frischer Fisch wird vor den Restaurants präsentiert
Fluffy Pancakes mit Nutella und Eiscreme

Nach ein paar richtig schönen Tagen am Meer will Kathi ins Landesinnere. Dort gibt es einen Vulkan, Berge und unendlich viele Reisfelder. Auch soll es dort nicht so heiß sein. Da es keinen Bus gibt, müssen wir uns ein Taxi gönnen. Um den Einheimischen näher zu kommen und auch, um die Traditionen dieses Gebiets besser kennenzulernen, haben wir eine kleine und einfache Hütte bei einer Familie gebucht.

Vor unserer Hütte ist ganz viel Grün

Bei unserer Ankunft heißt uns die ganze Familie willkommen. Sie besteht aus Mama Citra, einer überaus herzlichen Frau in unserem Alter, welche uns die besten Gerichte zaubern wird.

Jackfruit Curry von Mama Citra

Dann wäre da noch Mas Agul, ihr Ehemann. Er wird uns mit zahlreichen Geschichten aus seinem Leben bereichern und nicht wenige Lieder auf seiner Gitarre spielen. In seinen früheren Jahren hat er in einer Band auf Bali gespielt. Und zuletzt ist da noch sein 15-jähriger Sohn Theo, der uns schon bald als Guide auf dem Roller in die verschiedensten Ecken um Tetebatu bringen wird.

Das kleine Dörfchen scheint verschlafen und genau der richtige Gegensatz zum belebten Kuta zu sein. Wir freuen uns schon auf die Ruhe – dachten wir! Obwohl wir hier nicht unter Verkehrslärm leiden müssen, werden wir trotzdem keine Nacht richtig durchschlafen können. Wir haben ja schon mal von den nächtlichen Weckrufen durch den Muezzin erzählt. Das ist hier auf dem Dorf keineswegs besser. Man hat das Gefühl, dass die Leute auf dem Land gleich noch mehr Moscheen haben. Somit wird man hier um 4:00 Uhr morgens von nicht nur einem Muezzin geweckt, sondern gleich von einem zeitlich versetzten Stimmengewirr. Hinzu kommt, dass die Audioqualität überdurchschnittlich schlecht ist. Als der Muezzin dann endlich fertig ist, denken wir, dass wir wenigstens jetzt bis zum Morgen durchschlafen könnten. Aber weit gefehlt! Des Nachbars Gockel stolziert ab 6:00 Uhr morgens von Garten zu Garten und weckt jeden, der noch nicht auf den Beinen ist. Da wir in einer traditionellen Bambushütte schlafen, sind die Wände auch überhaupt nicht gedämmt. Nun ist es aber auch nicht so, dass der Gockel vielleicht 10 Minuten kräht. Nein! Er kräht oft eine ganze Stunde oder länger neben unserem kleinen Bungalow. Wenn er dann zum Nachbarn weiterzieht, denkt man, man hat vielleicht seine Ruhe. Meistens kommt er dann jedoch nach zwei Stunden wieder zurück, wenn er merkt, dass man immer noch schläft. Irgendwann beschließen wir dann, rauszugehen, um Steine nach ihm zu werfen. Das hilft dann wenigstens für eine gewisse Zeit. Doch wir werden entschädigt, denn jeder Morgen wird durch Mama Citra mit einem grandiosen Frühstück bestehend aus Bananen-Pfannkuchen und Kaffee gerettet.

Nachdem wir ihr erzählt haben, dass uns der Gockel vom Schlafen abgehalten hat, ist es ihr sichtlich unangenehm. Ab diesem Zeitpunkt nehmen wir den Gockel kaum noch wahr, denn Mama Citra übernimmt nun netterweise das Verjagen des nervigen Getiers.

Insgesamt wollen wir vier Nächte in den Bergen bleiben. Die Tage verbringen wir unter anderem mit Wanderungen durch Reisfelder.

Dieser kleine Canyon führt zu einem Wasserfall

Dabei kommen wir durch immer abgelegenere Orte, an denen nur Einheimische sind. Es ist wirklich Wahnsinn, wie wir von allen Menschen auf der Straße freundlich gegrüßt werden. Sie winken uns zu und scheinen ganz glücklich, einen Touristen zu sehen.

Ein andermal leihen wir uns einen Roller, um zu einem Ort zu fahren, an dem mehrere wunderschöne Wasserfälle umgeben von Dschungel sein sollen.

Jonas lässt sich von Kathi rumkutschieren und genießt die Aussicht
Natürlich muss auch immer fleißig gewunken werden

Nach der einstündigen Fahrt erreichen wir den Ort. Wir müssen nur noch eine kleine Wanderung zurücklegen, bis wir den ersten Wasserfall erreichen.

Obwohl der Ort eigentlich total touristisch ist, sind schon hier kaum andere Touristen. Und der Wasserfall ist wirklich einer der schönsten, den wir je gesehen haben. Das Besondere hier ist, dass das Wasser aus einer komplett grünen Wand aus Pflanzen heraussprudelt. Wir beschließen, hier noch nicht zu baden, da wir uns lieber an einem einsameren Wasserfall erfrischen würden. Und wir werden nicht enttäuscht. Nach einer weiteren Wanderung durch den Dschungel erreichen wir einen anderen Wasserfall, der komplett menschenleer ist. Hier kommt ein dicker Strahl mit so einer Wucht herunter, dass das herabfallende Wasser einen richtigen Wind um den Wasserfall herum erzeugt.

Jonas zieht blank und erfrischt sich im Wasserbecken davor, denn um sich unter den Strahl zu stellen, ist der Druck des herabkommenden Wassers zu enorm.

Nach einer weiteren Wanderung erreichen wir den dritten Wasserfall, der auch besonders und menschenleer ist. Hier erfrischt sich nun Kathi und stellt sich unter das herabkommende Wasser. Glück gehabt, denn als sie sich gerade angezogen hat, tauchen doch ein paar Leute auf. Hier in diesem muslimischen Teil des Landes wären nackte Touristen wohl nicht so gerne gesehen!


Am dritten Tag führt uns Theo an Orte, an denen wir die traditionelle Handwerkskunst der Gegend kennenlernen. Wir folgen ihm mit dem Roller und gelangen zu einem Ort, an dem Kunstwerke, Taschen und Möbel aus Bambus hergestellt werden. Wir setzen uns und beobachten, wie dünne Bambusfäden kunstvoll geflochten werden. Zunächst entstehen Ringe, die wir als Andenken mitnehmen dürfen.

Danach dürfen wir uns selbst im Flechten versuchen – gar nicht so einfach!

Nach weiteren Erklärungen und der Beantwortung unserer Fragen geht es weiter zu einem Ort, an dem eine ganze Nachbarschaft sogenannte Sarongs herstellt. Ein Sarong ist ein traditionelles Kleidungsstück, das aus einem rechteckigen Stück Stoff besteht und um die Hüfte gewickelt wird.

Wir gehen von Haus zu Haus und erfahren, wie der Prozess vom Färben der Stoffe bis hin zum Weben abläuft.

Zum Schluss werden wir in die traditionelle Kleidung gehüllt und fotografiert.

Theo führt uns anschließend zu einem Wasserfall, wo wir uns erfrischen können.

Er klettert mutig die Felsen hinauf und springt ins Wasser. Sogleich fordert er Jonas auf, es ihm gleichzutun. Trotz sichtlicher Nervosität will Jonas sich keine Blöße geben und klettert ebenfalls die Felsen hoch, um in die Tiefe zu springen. Die Angst ist ihm ins Gesicht geschrieben, doch er überwindet sich und wagt den Sprung!

Plötzlich zieht der Himmel zu, und die Verantwortlichen sagen uns, dass wir das Wasser verlassen sollen. Bei Regen können gefährliche Wassermassen den Wasserfall hinabstürzen. Wir nehmen die Unterbrechung gelassen, da wir ohnehin hungrig sind. Theo schlägt vor, das Restaurant seines Onkels in der Nähe zu besuchen. Dort angekommen, reagiert sein Onkel verärgert und fragt Theo, warum er nicht in der Schule sei. Da wird uns klar: Heute ist eigentlich ein Schultag. Leider haben wir an diesem Tag unwissentlich Kinderarbeit unterstützt, da er ja mit uns eine Tour gemacht hat. Die Eltern erklären uns später, dass Theo durch das Englischsprechen mit uns ebenfalls etwas lerne, oft sogar mehr als in der Schule. Außerdem sei er mit 15 Jahren ohnehin bald alt genug zum Arbeiten.

Am selben Abend, unserem letzten, lädt uns die herzliche Mama Citra zum Essen in ihr Haus ein. Wir freuen uns sehr über die Einladung und werden nicht enttäuscht. Sie hat ein prächtiges Mahl zubereitet. Da die Familie keine Stühle und Tische besitzt, essen wir auf dem Boden und genießen das umfangreiche Essen. Stundenlang sprechen wir über alles Mögliche. Obwohl Theo und seine Frau in unserem Alter sind, wirken sie durch ihre Lebensumstände viel reifer. Sie erzählen uns Persönliches und wir tauschen uns über kulturelle Unterschiede aus.

So endet ein weiteres schönes Kapitel unserer Reise. Am nächsten Tag geht es zurück nach Thailand, wo wir diesmal den Norden erkunden, ein Meditationskloster besuchen und wieder arbeiten wollen. Bleibt dran!


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