12.05 – 26.05
Die Anreise verlief leichter als gedacht. Zweimal im Collectivo (Kleinbus) umsteigen und dann waren wir auch schon da: Ttio, der Ort, der nicht einmal auf Google Maps existiert. Unser nächster Heimathafen für voraussichtlich zwei Wochen (oder länger?) Wir hatten uns diesmal bewusst gegen ein gewinnorientiertes Hostel und für eine Farm mit Tieren entschieden. Der Besitzer, ein lockerer und tierlieber Peruaner in seinen Dreißigern, hat vor einigen Jahren eine baufällige Farm geerbt und daraus ein wunderschönes Domizil für Mensch und Tier gemacht. Die Geschichte der Farm ist interessant: Während hier früher ein Inkatempel stand, zerstörten die Spanier den Tempel, als sie Peru kolonialisierten, und errichteten eine katholische Kapelle darauf. Die Kapelle ist immer noch zugänglich und enthält neben einigem Krimskrams auch altes Kirchenmobiliar und sogar einen echten menschlichen Schädel. Gruselig!
Ansonsten ist die Farm inzwischen von den vielen freiwilligen Helfern, die sich über Jahre hier getummelt haben, ganz schön auf Vordermann gebracht worden. Es gibt ein gemauertes Schwimmbecken, ein Baumhaus, und eine Art Sauna (aber natürlich keine, die sich auf Knopfdruck einschalten lässt, sondern man muss zuerst Steine in ein Lagerfeuer legen und diese erhitzen, um somit die Sauna mit diesen Steinen zu erwärmen). Außerdem gibt es ein Musikzimmer und eine Außenküche mit Pizzaofen und Herd. Der Herd ist jedoch kein elektrischer, sondern man muss immer händisch ein Feuer machen, um sich eine Tasse Kaffee gönnen zu können. Das Feuerholz wird im angrenzenden Wald gesammelt und gehackt. Es gibt auf jeden Fall immer genug Arbeit, aber dafür sind immer um die 20–30 Freiwillige da. Gearbeitet wird immer montags, dienstags und donnerstags von 10 Uhr morgens bis 13 Uhr. Zusätzlich muss man dreimal die Woche entweder für alle kochen oder abspülen. Man teilt sich hierfür immer in Vierergruppen ein. Ansonsten wird miteinander geratscht, getanzt, gespielt, Pizzaabende veranstaltet, es werden Ausflüge angeboten oder man kann wandern gehen.
Außerdem gibt es um die 20 Hunde, die den Ort lebendig machen. Luis, der Besitzer, hat alle Vier- und leider auch Dreibeiner von der Straße gerettet und bietet ihnen jetzt ein liebevolles Zuhause. Dazu gibt es noch einen Esel und zwei Pferde, die man reiten kann, wenn man das Reiten beherrscht. Als wir ankommen, beziehen wir unser geräumiges Doppelzimmer und werden gleich herzlich begrüßt. Am nächsten Tag steht auch schon unsere erste Herausforderung bevor: Wir sollen für diese riesige Anzahl an Menschen kochen. Wir sind erstmal ganz schön eingeschüchtert, da keiner von uns je für so viele Leute gekocht hatte. Es wird außer am Pizzaabend immer vegan gekocht und man bekommt einfach eine bestimmte Anzahl an Gemüse und Sättigungsbeilagen hingestellt, die man dann verkochen soll. Wir fangen also an zu schnippeln und kochen uns unseren Weg zum fertigen Menü. Es wird ein voller Erfolg. Alle werden satt und wir sind froh, unsere erste Challenge hinter uns gebracht zu haben.










Am nächsten Morgen steht eine Arbeitsschicht an und wir hacken Holz. Natürlich gibt es nur eine Handsäge und eine Axt. Auch hier müssen wir zugeben, dass wir das zum ersten Mal machen. Wir sind überrascht, wie anstrengend Holz hacken und sägen ist. Am nächsten Tag haben wir beide einen saftigen Muskelkater in den Armen. Da am darauf folgenden Tag frei ist, beteiligen wir uns an einem Ausflug zu den sogenannten Rainbow Mountains. Das sind durch verschiedene Mineralien gefärbte Berge, die hier in Peru eine Touristenattraktion darstellen. Wir haben jedoch Glück und außer uns sind nicht viele Leute da, um die Berge zu besteigen. Die Fahrt hin- und zurück ist ziemlich abenteuerlich, da einige außen auf der Pritsche eines Pick-ups sitzen müssen.
Immer donnerstags ist Pizza- und Pisco-Sour-Abend. Da wir uns wieder zum Kochen eingetragen hatten, müssen wir uns schon morgens um den Pizzateig kümmern, damit er noch genug Zeit hat zu gehen. Wir sind darüber nicht gerade traurig, da wir uns somit vor der Arbeitsschicht am Morgen drücken können. Kathi wird damit beauftragt, den Pizzateig aus 4 Kilo Mehl zu machen. Da wir beide noch nie vorher Pizzateig gemacht hatten, sind wir schon ein bisschen nervös. Kathi sieht sich dazu noch ein Video von einem italienischen Paar an, das anscheinend kurz vor uns hier war und ein Video davon erstellt hat, wie man guten Pizzateig macht. Am Abend geht es dann daran, den Teig in die riesigen Formen zu rollen und zu belegen. Alles klappt wie am Schnürchen und wir sind selbst überrascht, wie lecker die Pizza wird. Ehrlich gesagt ist der Teig super knusprig und wir wissen nicht, wann wir mal einen besseren Pizzateig gegessen hätten. Vielleicht liegt es auch daran, dass wir viel Arbeit reingesteckt haben und er uns deshalb so gut schmeckt. Zu unserer großen Überraschung sagen alle, dass der Teig sogar besser ist als der von den Italienern. Die Leute reißen sich nur so um unsere Pizza und Kathi erntet sogar Applaus für ihren Teig. Der Rest des Abends wird noch lang und lustig, da es einiges zu trinken gibt. Außerdem wird das Musikzimmer zum Club mit Ravemusik und anschließendem Karaoke. So manche(r) treibt es zu bunt und muss ins Bett getragen werden.



Am nächsten Tag ist somit Katerstimmung angesagt und es wird eigentlich den ganzen Tag nur gechillt. Wir suchen uns ein ruhiges Plätzchen außerhalb der Farm bei der Pferdekoppel und genießen die Sonne. Am Wochenende ist es eher ruhig, weil viele nach Cusco fahren. Wir beschließen, auf der Farm zu bleiben, da wir im Moment einfach froh sind, ein bisschen länger an einem Ort bleiben zu können. Wir machen Yoga, malen, sonnen uns und machen mit einer anderen Deutschen eine Wanderung in die angrenzenden Berge. Auch drei der Hunde begleiten uns bei der Wanderung. Die restlichen Leute, die am Sonntag auf der Farm bleiben, machen entweder eine San Pedro Zeremonie oder nehmen Magic Mushrooms, denn auch solche Sachen werden hier auf der Farm günstig angeboten. Hippie-Style eben. Nach unserer erfolgreichen Wanderung will Kathi noch etwas Neues ausprobieren. Eine der Anwesenden bietet an, Tarotkarten zu legen. Gesagt, getan. Circa eine Stunde wird sie beraten und über ihre Zukunft „informiert“. Obwohl sie eigentlich nicht an sowas glaubt, ist es trotzdem interessant, was dabei herauskommt.
Am darauffolgenden Tag bricht bereits die zweite Woche an und somit steht erst einmal ein bisschen Arbeit an. Da wir aber schlau waren, haben wir uns für die Zeit, in der eigentlich gearbeitet wird, zum Mittagessen kochen eingetragen. Somit können wir schon mal ein bisschen Arbeit mit Kochen ersetzen. Am Mittwoch steht wieder eine Tour an. Diesmal machen wir eine Wanderung, bei der wir an sieben Lagunen vorbeikommen. Im Hintergrund sieht man schneebedeckte Berge und es gibt immer wieder Alpakaherden auf dem Weg. Das Besondere ist, dass jede der Lagunen eine andere blaue, türkise oder grünliche Farbe hat. Nachdem wir mit dem Rundweg fertig sind, gibt es erst einmal Mittagessen. Wir gönnen uns frisch gefangene Forelle. Danach geht es noch in heiße Quellen. Das tut den geschundenen Muskeln gut und im Hintergrund sieht man immer noch die tolle Bergkulisse. Was für ein toller Ausklang.












Der Rest der Woche verläuft auch wieder entspannt. Wir spielen viel mit den Hunden und besonders eine schwarze Hündin hat es uns angetan. Wir würden sie am liebsten mitnehmen nach Deutschland, aber uns ist bewusst, dass das noch nicht geht, da wir ja noch eine Weile lang reisen möchten.
Am Samstag steht dann Kathis Geburtstag an. Jonas überrascht sie mit einem selbstgepflückten Blumenstrauß beim Aufwachen. Außerdem hatte er ein paar Tage zuvor zufällig eine echte Goldkette unter unserem Bett hier gefunden. Die wird dann natürlich auch gleich mitgeschenkt. Da es sich um einen Samstag handelt, haben alle frei. Wir beschließen, mit etwa 15 Personen zu einer kleinen Lagune zum Baden zu gehen. Es ist ein wunderschöner sonniger Tag und alle sind gut drauf.


Auf dem Heimweg decken sich noch alle mit Bier und Wein ein, um abends noch ein bisschen zu feiern. Wir ziehen uns erst einmal ins Zimmer zurück und schauen ein bisschen Netflix. Als Kathi dann wieder zu den anderen stößt, wird sie mit einem Ständchen und einem leckeren Erdnussbutter-Schokokuchen überrascht. Der Abend wird noch sehr lustig, denn irgendwann fangen alle an, von ihren peinlichsten Erlebnissen zu erzählen. Hier wird kein Blatt mehr vor den Mund genommen und es gibt keine Tabus mehr. Von der einen oder anderen Person sind wir dann doch sehr überrascht und man erfährt viel von den anderen. Es ist so cool, wie man merkt, dass man die anderen immer besser kennenlernt und somit viele neue Freundschaften schließen kann. Eigentlich hatten wir am nächsten Tag unsere Abreise geplant, aber wir fragen schließlich, ob wir noch ein bisschen länger bleiben können. Es kommt jetzt darauf an, wann unser Zimmer wieder besetzt wird, aber eine Nacht können wir auf jeden Fall länger bleiben, meint der Besitzer. Wir sind total zerrissen. Eigentlich könnten wir uns vorstellen, noch eine ganze Weile hier zu bleiben, aber andererseits wollen wir auch noch ein bisschen was von Bolivien sehen, bis unser Heimflug in ein paar Wochen geht, denn wir werden einen kleinen Heimaturlaub im Sommer einlegen, bevor es dann weiter nach Osteuropa und über den Winter nach Südostasien geht. Stay tuned!





