Zwischen Lebensmittelvergiftung und Wasserfallpanorama


28.03 -05.03
Wir nutzen das bereits bekannte Iquitos, um die vielen Erlebnisse im Dschungel zu verarbeiten. Sehr schnell ist uns klar, dass sich zum effizienten Abheilen unserer mannigfaltigen Mückenstiche nichts besser eignet als Alkohol. Nicht, dass sich die Stiche noch entzünden ;). Doch bevor wir uns dieser Tätigkeit widmen dürfen, richten wir uns erst einmal noch gemütlich in unserem klimatisierten Doppelzimmer ein und bringen unsere verschwitzte und mit Mückenspray verpestete Kleidung zur Wäscherei. Nachdem wir fast unsere komplette Wäsche abgegeben haben und noch klären, ob es möglich ist, sie am nächsten Tag (Gründonnerstag) abzuholen, weil am Karfreitag unser Flug geht, machen wir uns auf den Weg, einen Kaffee zu trinken. Als Location entscheiden wir uns für das berühmteste Gebäude in Iquitos, in dem sich auch ein Restaurant befindet. Der Architekt des historischen Gebäudes ist niemand Geringerer als Gustave Eiffel, der auch den Eiffelturm entworfen hat. Das Gebäude und auch das Innere des Restaurants bestehen ausschließlich aus Eisen. Da das Restaurant sehr gehoben ist, wollen wir uns nur einen Kaffee leisten.

Wenig später finden wir uns in einem texanischen Restaurant ein, um Margaritas zu schlürfen. Dadurch, dass Happy Hour ist und wir deshalb zwei Drinks zum Preis von einem bekommen, fühlen wir uns dazu verpflichtet, eine zweite Runde zu bestellen. Wenig später kommen wir mit einem anderen Gast ins Gespräch. Er ist mittleren Alters, recht schlaksig und trägt Kleidung wie auf einer Dschungelsafari. Er stammt ursprünglich aus Frankfurt und lebt schon seit vielen Jahren in Lima, der peruanischen Hauptstadt. Während wir ihn mit Fragen über Peru und seinen Daueraufenthalt löchern, kommen immer wieder Einheimische vorbei, die ihn freundlich begrüßen. Er erzählt uns von seiner Tochter in Deutschland, von der politischen Lage in Peru sowie seiner Arbeit als Headhunter in Lima. Jonas ist nach eineinhalb Margaritas schon so betrunken, dass er Kathi bitten muss, seinen Cocktail auszutrinken. Nach einem lustigen Abend mit dem Deutschen begeben wir uns in unsere Unterkunft und sind heilfroh, eine Klimaanlage zu haben.

Die Hitze und hohe Luftfeuchtigkeit im Amazonas machen uns ganz schön zu schaffen. Deshalb freuen wir uns auch auf unseren Flug nach Tarapoto. Von dort aus nehmen wir dann einen Bus in etwas kühlere Gefilde. Der etwa einstündige Flug nach Tarapoto verläuft einwandfrei. Dort angekommen beziehen wir unser Dreierzimmer in einer schönen Unterkunft und erkunden das kleine Städtchen. Später am Abend stößt dann auch Graham wieder zu uns. Er hatte ja die fünftägige Fähre genommen, während wir uns für den einstündigen Flug entschieden haben. Nachdem wir die Geschichte von Grahams Odyssee hören, sind wir auch sehr froh, uns für diese Alternative entschieden zu haben. Er erzählt, dass die Fähre erst 32 Stunden später ablegt, da zuerst nicht genügend Personen an Bord waren, um eine Rentabilität der Fahrt zu garantieren. Das Essen sei auch sehr wenig und schlecht gewesen. Es hätte ihn an ein Knastschiff erinnert, da er immer um 6 Uhr morgens geweckt wurde, um sich für das Frühstück in eine Reihe zu stellen. Das Frühstück hätte aus einem weißen Brei und einem harten Stück Brot bestanden. Zusätzlich habe die Fähre immer wieder mal für längere Zeit haltgemacht. Dadurch hat sich die ohnehin schon zu lange Fahrt mit der Fähre noch mehr in die Länge gezogen. Während er auf den Boden schaut, erinnert er sich daran, dass er sich ohne uns und ohne Internet recht einsam gefühlt hat. Er hat zwar immer wieder versucht, mit den Einheimischen an Bord ins Gespräch zu kommen, jedoch war der Dialekt der Leute so extrem, dass er auch diese Option zur Zeitüberbrückung bald bleiben lassen hat. Als er dann aber doch nach einer gefühlten Ewigkeit die Fähre verlassen konnte, stand zwischen ihm und seinem Ziel noch eine zweistündige Fahrt mit einem Pickup im strömenden Regen bei Nacht. Erschwerend kam hinzu, dass er die Fahrt stehend hinten auf der Ladefläche durchstehen musste. Dabei ist ihm äußerst übel geworden. Während Graham uns seine ‚All-Inclusive-AIDA‘-Fahrt schildert, wird immer klarer, wie gut unsere Entscheidung gewesen ist, nicht mit der Fähre zu fahren. Wir verbringen den restlichen Abend in unserer gemütlichen Unterkunft, hören Musik, trinken Wein und lachen viel. Am darauffolgenden Tag machen wir einen kurzen Spaziergang an den Rand von Tarapoto, um dort eine Tierauffangstation zu besuchen. Dort werden Dschungeltiere gerettet und aufgepeppelt, die sonst in der freien Natur nicht überleben würden. Neben riesigen Schmetterlingen, Schildkröten, Fledermäusen, Fischen, einer kleinen Wildkatze und Schweinen, die sich im Schlamm suhlen, sehen wir endlich auch einen Toucan. Wir bekommen alles von einem Guide erklärt. In unserer Gruppe ist ebenfalls eine peruanische Familie inklusive eines verhaltensauffälligen Jungen, der ständig durch die Gegend läuft und dabei hemmungslos alles und jeden anfasst und umstößt. Er macht auch vor uns Gringos keinen Halt. Damit der Junge nicht umfällt, stützt er sich sogar einmal im Schritt von Jonas ab. So ein nerviges ADHS-Kind!

Am nächsten Tag machen wir uns mit dem Kleinbus auf den Weg nach Chachapoyas, eine Stadt im Amazonasgebiet Perus, die ein angenehmes Klima hat und von Bergen umgeben ist. Später finden wir heraus, wie viele tolle Wanderungen zu atemberaubenden Wasserfällen dort möglich sind. Außerdem gibt es dort unendlich viele archäologische Ausgrabungen und das ‚Machu Picchu des Nordens‘. Die Busfahrt nach Chachapoyas ist ganz schön angsteinflößend. Unser Fahrer fährt mit einer Affengeschwindigkeit, aber er scheint den Bus gut unter Kontrolle zu haben. Gegen acht Uhr abends erreichen wir dann endlich unser Reiseziel. Obwohl unsere Unterkunft am anderen Ende der Kleinstadt liegt, entscheiden wir uns dennoch zu Fuß zu gehen. Chachapoyas, das ehemalige Zentrum der Kolonialherren in Nordostperu, wirkt viel aufgeräumter und strukturierter als die bisher kennengelernten Orte im Amazonasgebiet in Peru. Die allgegenwärtigen kleinen schwarzen Holzbalkone, die Aufteilung der Straßen in quadratische Blocks, die Dächer mit den traditionellen Dachziegeln und der mit Bänken, Hecken, vielerlei Blumen und einem bronzenen Brunnen geschmückte Stadtplatz erinnern stark an die damalige Zeit.

Am nächsten Tag finden wir uns bereits früh morgens in einem kleinen Bus wieder. Dieser fährt uns circa 20 Minuten aus der Stadt heraus, zu einem Aussichtspunkt, von dem aus man einen großen Canyon bestaunen kann. Als wir ankommen, hatte es jedoch gerade erst geregnet und somit können wir vor lauter Nebel leider nichts erkennen. Wir beschließen den circa fünf Kilometer langen Weg zum zweiten Aussichtspunkt zu wandern. Vielleicht ist der Nebel ja dann schon weg. Und tatsächlich wird das Wetter dann auch besser. Kurz bevor wir den zweiten Aussichtspunkt erreichen, schlägt Kathi vor, einmal querfeldein in Richtung des Canyons zu laufen. So können wir uns vielleicht den Eintritt zum Aussichtspunkt sparen. Und tatsächlich geht der Plan auf, denn plötzlich befinden wir uns auf dem Gebirgskamm des Canyons. Die Aussicht ist spektakulär. Um den Weitblick auf uns wirken zu lassen, verweilen wir für ein paar Minuten und gehen wenig später am Gebirgskamm entlang. Wenig später gesellt sich auch ein Hund zu uns. Er folgt uns auf Schritt und Tritt. Weiter entfernt sehen wir eine von Menschenhand gebaute Aussichtsplattform. Dort machen wir es uns nochmal gemütlich, um in die Ferne zu blicken und mit dem Hund zu spielen. Der Hund scheint recht jung zu sein, denn er läuft rum wie verrückt und kommt immer wieder auf uns zu, um gestreichelt zu werden. Als Graham (der keine Hunde mag) seinen Proviant herausholt, erweckt er die Aufmerksamkeit des Hundes. Dieser setzt sich neben Graham und schaut ihn erwartungsvoll an. Graham versucht stattdessen den hungrigen Hund immer wieder wegzuschubsen, um dem Hund zu signalisieren, dass er nichts zu erwarten hat. Das lässt den jungen Kläffer jedoch kalt. Der kommt immer wieder erwartungsvoll auf Graham zu. Eine Zeit lang schauen wir uns das Spektakel schadenfroh an und machen uns dann auch schon wieder auf, um zurück in die Stadt zu kommen.

Dort angekommen, nehmen wir erst einmal ein sehr verspätetes Mittagessen zu uns. Danach finden wir uns zum Erholen in unserem Zimmer ein. Nur Graham will in der Stadt herumlaufen. Als Jonas nach zwei Stunden aufwacht, hat er immer noch das Gefühl total voll zu sein. Auch Übelkeit macht sich breit. Er erinnert sich an das komisch schmeckende frittierte Hühnchen zum mittag. Nun gibt es nur noch einen Ausweg aus der Geschichte. Übergeben und dadurch im Idealfall das verdorbene Hühnchen loswerden, bevor es noch mehr Schmerzen verursacht. Nach dem selbst provozierten Übergeben fühlt sich Jonas sofort besser. Nur leider ahnt er zu dem Zeitpunkt noch nicht, dass die Übelkeit zurückkehren wird und er sich dadurch noch zweimal übergeben muss, bis wirklich alles heraus ist.

Den nächsten Tag nutzen wir, um unsere nächsten Reiseziele zu planen und Jonas braucht den Tag, um wieder zu Kräften zu kommen. Zwischen unserem nächsten Sehnsuchtsort und Chachapoyas trennt uns nur eine Stunde mit dem Bus. Danach geht es mit einem kleinen Tuktuk circa zwanzig Minuten weiter nach Cocachimba. Ein von Bergen umgebenes kleines Dörflein mit circa 20 Häusern. In der Mitte des Ortes findet sich eine grüne Wiese in der Größe eines Fußballfeldes. Von unserem Zimmer mit Balkon und großen Fenstern haben wir einen tollen Ausblick auf das Highlight dieses Ortes. Nämlich den höchsten Wasserfall Perus, den wir uns in zwei Tagen aus der Nähe anschauen wollen. Wir sind alle drei total begeistert von der Abgeschiedenheit und der entsprechenden Stille.

Nachdem es gegen drei Uhr nachmittags aufgehört hat zu regnen, entscheiden sich Kathi und Jonas spontan, einen Weg in die Berge zu besteigen. Dieser soll laut maps.me ebenfalls zu zwei verschiedenen Wasserfällen führen und circa 500 Höhenmeter beinhalten. Als wir nach geraumer Zeit die meisten Höhenmeter überwunden haben und sich währenddessen die Pflanzenwelt sowie das Wetter stetig verändern, erreichen wir ein Plateau. Interessanterweise wird der zuvor meist matschige Untergrund immer häufiger von weißem Sand ersetzt. Auch Palmen sind immer wieder zu sehen, wodurch wir abgesehen von dem kühlen und nassen Wetter immer mehr den Eindruck haben, am Strand in der Karibik zu sein. Da wir uns auf der Höhe der Wolken befinden, wirkt die neblige Landschaft umso mystischer. Auch die von einem sonderbar giftgrünem Moos überzogen Bäume tragen zu diesem Bild bei. Wir überqueren Flüsse und sehen Kühe, die von unserer Anwesenheit noch mehr verdutzt zu sein scheinen als wir. Sie haben lange Haare und machen den Ort für uns noch skurriler. Wir sind schon mehr als zwei Stunden unterwegs, als wir unser geplantes Ziel erreichen. Laut unserer Navigationsapp hört hier der Weg eigentlich auf. Doch der Weg geht eindeutig weiter. Wir diskutieren kurz, ob wir zurückgehen oder doch den Weg weiter erkunden sollten. Der Weg hat etwas Magisches und die Neugier, den Weg weiter zu erforschen, motiviert uns weiterzugehen. Wir nehmen in Kauf, den Rückweg in absoluter Dunkelheit zu gehen. Es sollte kein Problem sein, da wir beide mit guten Stirnlampen ausgerüstet sind. Wir hüpfen über eine Steinmauer, überqueren geschickt einen Fluss und plötzlich betreten wir wieder einen dicht bewachsenen, dschungelartigen Weg. Wir bemerken, dass wir unserem morgigen Ziel, nämlich dem höchsten Wasserfall, immer näher kommen. Nur sind wir jetzt nicht unten, sondern ganz weit oben. Der Wasserfall besteht praktisch aus zwei Wasserfällen, und wir befinden uns nun am Obigen. Leider müssen wir unsere Erkundungstour dann irgendwann abbrechen, da es immer mehr zu dämmern beginnt und wir nicht den kompletten Weg in absoluter Dunkelheit zurückgehen möchten. Auf dem Rückweg treffen wir wieder die Kühe, die nun wenig beängstigt von uns zu sein scheinen. Hin und wieder machen wir unsere Lampen aus, um die Sterne zu beobachten. Es ist beeindruckend, wie viele zu sehen sind, wenn keine anderen künstlichen Lichtquellen vorhanden sind. Pünktlich um acht Uhr abends erreichen wir dann auch schon wieder das friedliche Cocachimba. Dort angekommen, treffen wir uns mit Graham in einem Restaurant und erzählen ihm erschöpft jedoch noch immer mit großen Augen unsere Erlebnisse.

Als der nächste Tag anbricht begrüßt uns bereits die Sonne und von unserem Bett aus können wir durch die großen Fenster unser heutiges Wanderziel aus der Ferne bestaunen. Der Wasserfall Gocta ist mit seinen 771 Metern Fallhöhe einer der höchsten der Erde und dementsprechend ein beeindruckendes Ziel für den heutigen Tag. Die Wanderung zum Wasserfall dauert circa zwei Stunden und ist im vergleich zur gestrigen Wanderung deutlich bekannter. Als wir uns nach der Wanderung schließlich dem Wasserfall nähern, spüren wir wie unsere Gesichter von den Sprühnebel des Wasserfalls angefeuchtet werden. Wir haben Glück, denn niemand außer uns ist gerade dort. Generell scheinen hier im Norden Perus kaum Touristen unterwegs zu sein, denn wir treffen kaum auf andere Reisende. Der Moment ist wirklich magisch, denn der vom Regenwald umgebene Wasserfall ist wirklich atemberaubend! Wir verweilen für eine halbe Stunde und lassen unsere Blicke schweifen bevor wir uns wieder auf den Rückweg machen. Er regnet wie aus Eimern, wodurch wir pitschnass zurückkommen.

Den restlichen Tag verbringen wir in unserem Zimmer, um uns von der Wanderung zu erholen. Nur gegen abends erforschen wir das winzige Cocachimba, denn Kathi möchte die örtliche Spezialität, gegrilltes Meerschweinchen, probieren. Danach machen wir noch einen Abstecher in eine urige Bar, um dort verschiedene Cocktails aus selbsthergestellten Spirituosen zu probieren. Die Bar ist wirklich einzigartig. Wir sind die einzigen Gäste und die käuflichen Spirituosen bestehen allesamt aus einer Basis aus Aguardiente (in Deutschland würden wir dafür Korn nehmen). Darin werden dann für mehrere Monate oder Jahre verschiedene Früchte, Getreide oder Kräuter eingelegt. Dies stellt für uns einen gelungenen Abschluss für die tolle Zeit in Cocachimba dar, denn am nächsten Tag geht’s schon einen Ort weiter nach Cuespes. Dort werden wir uns in einer ganz besonderen Unterkunft wiederfinden. Stay tuned!



Eine Antwort zu “Zwischen Lebensmittelvergiftung und Wasserfallpanorama”

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert