23.8-4.9
Nachdem wir von unserer Gastgeberin Denise in einem verrostetem roten Van an der Bushaltestelle in Herceg Novi (einer mittelalterlichen Stadt am Meer) abgeholt werden und unsere Rucksäcke auf die Ladefläche werfen, fahren wir zuerst in die Richtung zur bosnisch-montenegrinischen Grenze zurück. Von dort aus geht nämlich die Straße hoch ins Camp. An der Grenze ist, wie uns Denise erklärt, am Wochenende immer Stau angesagt. Zum Glück müssen wir die Grenze nicht passieren, sondern ein paar Meter vorher eine Straße links hoch. Das ist natürlich nervig, weil man so oft in den Grenzstau kommt, der manchmal ganz schön lang ist. Denise schlängelt sich rechts an ein paar Autos am Seitenstreifen vorbei. Vereinzelt werden wir angehupt. Denise lässt das jedoch kalt. Nicht wenig später rast sie eine abgenutzte und enge Serpentinenstraße hinauf. Neben Felsen und Gebüsch ragen mal mehr mal weniger Zypressen in Richtung Himmel. Eine solche Mischung an Flora haben wir bisher noch nie gesehen.

Nach wenigen Minuten erreichen wir unser Ziel: Camp Full Monte. Während Denise den Van in einer Seitenstraße parkt, sollen wir den „Clothing Optional“ Campingplatz, der einen besonderen Wert auf Nachhaltigkeit legt, schonmal betreten. Im ersten Moment ist niemand zu sehen. Während wir uns kurz umsehen, beobachten wir wie uns ein älterer nackter Typ mit Brille und Sandalen entgegenkommt. Er stellt sich als Steve vor und ist der Ehemann von Denise. Er wirkt überaus freundlich. Lediglich seine selbstverständliche Art seine Gäste komplett nackt zu empfangen irritiert uns etwas. Das wird sich jedoch schon bald legen. Er möchte uns sofort eine kleine Tour durch den Campingplatz anbieten. Bis wir den sozialen Mittelpunkt des Ortes erreichen, passieren wir fünf Hochbeete mit diversen Kräutern und Gemüse, sowie ein buntes Blumenbeet. Als wir die sehr gut ausgestattete offene Küche erreichen, begrüßt uns die ältere Hündin Daisy. Steve erklärt uns, dass Daisy schlecht sieht und hört. Die erdrückende Hitze macht ihr auch zu schaffen, wodurch sie sich meistens unter dem Esstisch auf den kühlen Fließen chillt. Hinter der Küche befindet sich der ganze Stolz von Steve, nämlich das geräumige Bad. Überall finden wir einlaminierte DIN A4 Erklärungen, wie die Komposttoiletten und die Wasserzufuhr für die Duschen funktionieren. Steve lässt es sich jedoch nicht nehmen, die einzelnen Besonderheiten persönlich und sehr detailliert zu erklären. Die Toilette zum Beispiel funktioniert komplett ohne Wasser, da ungefähr 3 Meter unter den Toiletten ein Auffangbehältnis liegt, welches permanent mit alten PC-Lüftern über ein in den Himmel ragendes Rohr Luftaustausch erfährt. Die Ausscheidungen und das Klopapier werden dann irgendwann zu Kompost. Durch die Ventilatoren stinkt die Toilette nicht. Etwas ungläubig lässt er uns selbst durch die Klobrille in die Tiefe blicken. Zu riechen ist erstaunlicherweise wirklich nichts. Krass denken wir uns. Das Warmwasser der Duschen kommt selbstverständlich über eine Solaranlage und Trinkwasser wird regelmäßig von einer nahegelegenen Quelle in Kanister abgefüllt. Der Strom wird tagsüber in verschiedene Autobatterien gespeichert und bei Bedarf im ganzen Haus verteilt. Das Gemüse und die Kräuter werden durch einen kleinen Bach mit Wasser versorgt. Über einen 1000 Liter Wassertank, welcher zu 1% aus unserer aller Urin besteht, werden die Blumen gegossen. Dafür filtert er irgendwas aus dem Urin heraus und dadurch stinkt es nicht mehr. Das Auffangbehältnis für den gefilterten Urin nennt er lustigerweise „Tea Tank“, weil die Farbe des gefilterten Urins an Schwarztee erinnert. Sogleich lässt er aus einem Zapfhahn was von dem gefilterten Piesel raus um uns daran riechen zu lassen, um uns zu beweisen, dass der unangenehme Geruch wirklich weg ist. Lecker, denken wir uns! Ist das die feine Englische Art!? Im Anschluss richten wir uns in einem sehr gemütlichen Caravan ein, den sie uns zu Verfügung stellen. Den restlichen Tag werden wir gleich mit dem Gießen des Gartens beauftragt und lassen den Tag mit einem gemeinsamen Essen ausklingen. Steve kocht ausgezeichnete Spaghetti Carbonara. Der erste Eindruck ist grandios. Wir vermuten, dass wir uns die nächsten beiden Wochen sehr wohl fühlen werden. Generell laufen unsere Arbeitstage dann immer so ab, dass wir gegen 8:30 aufstehen und uns erst mal ein leckeres Frühstück mit Müsli, Kaffee und frischem Obst machen. Steve ist auch nicht gerade ein Frühaufsteher und dadurch fangen wir eigentlich auch nie vor halb zehn zu arbeiten an. Die ersten Tage haben wir mit Oberflächen abschleifen und streichen verbracht. Da es für streichen jedoch etwas zu heiß war und die Farbe dadurch zu schnell eingetrocknet ist, haben wir dieses Projekt jedoch schon bald auf Eis gelegt. Dann bekommen wir erst einmal leichtere Aufgaben, wie zum Beispiel die Küche auf Vordermann zu bringen. Grundsätzlich arbeiten wir immer bis circa 13:00. Dann gibts Mittagessen. Das wird entweder von uns oder Denise zubereitet. Danach sagt Steve immer, dass es Nachmittags zu heiß zum arbeiten ist. Dagegen haben wir natürlich nichts einzuwenden. Am späten Nachmittag fangen wir dann meist in zwei Etappen an, den Garten zu gießen. Da wir einen Gartenschlauch haben, ist diese Arbeit auch relativ leicht. Das einzig nervige dabei sind die Mücken, die uns dabei transalieren. Beim gießen streiten wir uns immer, wer mit dem „Pieselwasser“ die Blumen gießen muss. Im Gegensatz dazu werden Gemüse und Kräuter nämlich mit sauberem Quellwasser gegossen. Danach muss noch mit Daisy gassigegangen werden. Schon beim ersten Spaziergang entdecken wir ein verlassenes Haus, bei dem unzählige reife Weintrauben vom Vordach hängen. Somit sind wir natürlich bei jedem Spaziergang fleißig am ernten. Daisy sieht uns immer verdutzt an, wenn Jonas Kathi auf seinen Schultern balanciert, damit wir an die hochgelegenen Trauben rankommen. Außerdem lässt sich am Wegesrand reichlich Salbei finden, welcher auch geerntet werden kann.









Schon bald bekommen wir die Aufgabe, alleine auf den Campingplatz aufzupassen, weil Steve und Denise auf einen eintägigen Bootstrip mit Freunden gehen wollen. Wir fühlen uns sogleich, als wenn uns der Campingplatz gehören würde und wir stellen uns vor, wie das denn so wäre. Uns wird jedoch gleich klar, dass die Abgeschiedenheit auf Dauer nichts für uns wäre. Schon bald steht auch unser erster freie Tag an. Wir fahren mit dem Bus an die Küstenstadt Kotor. Das besondere an der Stadt ist, dass es täglich von Kreuzfahrtschiffen „überfallen“ wird. Dabei kommen täglich zwischen 4.000 und 8.000 Touristen an Land. Als wir ankommen, fühlt es sich aber gar nicht nach so vielen Leuten an. An sich ist die Altstadt, die von einer mittelalterlichen Mauer umgeben ist, wunderschön. Die alten Steinhäuser mit den hohen Bergen auf der einen Seite und dem Meer auf der anderen Seite sind wirklich etwas besonderes. Trotzdem ist es uns zu touristisch und wir nehmen bald den Bus ins Nachbardorf Perast. Das Dorf besteht hauptsächlich aus fulminanten Barockpalästen. Hier geht es wohl etwas gehobener zu. Vor Perast im Meer lassen sich auch zwei kleine Inseln mit dem Boot anfahren. Zu Perast gehören die beiden kleinen Inseln St. Georg und St. Marin, welche auf Felsen stehen. Auf der einen Insel liegt der Friedhof des Ortes, die andere ist mit ihrer Kapelle ein bekannter Wallfahrtsort. Eine Bootsfahrt dorthin sparen wir uns jedoch, da wir baden gehen wollen. Da es an öffentlichen Ständen mangelt, müssen wir uns erzwungenermaßen in eine Strandbar setzen. Nach einer kleinen Erfrischung machen wir uns zu fuß weiter in Richtung einer Fisch- und Meeresfrüchte Taverne. Schon bei der Hinfahrt mit dem Bus haben wir entdeckt, dass es an der Küste entlang immer wieder kleine Austernfarmen gab, bei denen man auch eine Kleinigkeit essen und trinken kann. Und frischer geht es nicht, da sie die Fische und Muscheln vor einem direkt aus dem Meer ziehen. Die kleine Taverne besteht nur aus sechs Tischen und man sitzt draußen direkt neben der Meeresbucht. Wir bestellen uns eine Flasche Weißwein und ein Kilo Miesmuscheln mit Weißbrot. Hier lässt es sich aushalten. Nach der Stärkung machen wir uns auf den Weg in den Nachbarort Risan. Von dort aus sollten wir einen Bus zurück nach Herceg Novi (die nächst größere Stadt) bekommen. Der Bus lässt jedoch ungewöhnlich lange auf sich warten. Nach circa einer Stunde nimmt uns endlich ein Gefährt mit. Leider verpassen wir dadurch jedoch unseren Anschlussbus zurück zu unserer Unterkunft. Mist. Dann nehmen wir erst einmal eigen anderen Bus, der uns auf halber Strecke rausschmeißt. Nun müssten wir noch etwa eine Stunde den Berg hochlaufen. Und das im Dunkeln. Vielleicht ist es jetzt Zeit zu trampen, denken wir uns. Nach kurzer Zeit kommt ein junger Kerl mit einem uralten Gefährt daher. Natürlich spricht er kein Wort Englisch. Mit Google Übersetzer können wir ihn jedoch erklären, wo wir hinwollen. Wir kommen wohlbehalten um 10 Uhr abends im Camp an und sind heilfroh endlich ins Bett gehen zu können.






Am nächsten Tag steht ein neuer Arbeitstag an. Als wir gerade die Küche auf Vordermann bringen, kommt Steve jedoch plötzlich panisch durch die Küche gerannt und sagt, dass die Polizei da wäre. Er zieht sich schnell eine Hose an und begrüßt sichtlich aufgeregt und mit ungewöhnlich rotem Kopf die Polizisten. Während unserer Putzaktion in der Küche hören wir natürlich zu. Anscheinend hätte Denise bei ihrer Überholaktionen an der Grenze ein Auto angefahren und dann Fahrerflucht begangen. Sie hätte jedoch davon garnichts mitbekommen meint sie. Steve erzählt uns dann auch, dass die Leute in Montenegro bei Verkehrsdelikten ganz schön lügen, um sich Autoreparaturen günstig zu erschleichen. Später beim Abendessen erzählt uns Denise, dass sie während ihrer einstündigen Befragung wegen Alkohol blasen musste. Schon irgendwie lustig denken wir uns, weil sie war zu dem Zeitpunkt als die Polizei kam ja schon einige Stunden zu Hause. Fast hätten wir auch ein Bier zusammen getrunken. Gut das wir das nicht gemacht haben. Am Ende muss sie beim Gericht vorsprechen, aber dann doch nur 150 Euro zahlen. Ganz schön wenig für Fahrerflucht, denken wir uns. Und so vergehen die Tage im Camp Full Monte und wir fühlen uns wirklich wohl. Das einzige was wir etwas anders erwartet haben, war die Anzahl der Gäste. Da die beiden den Campingplatz verkaufen wollen, sind sie nicht gerade dahinter, Werbung für den Ort zu machen. Oft hatten Sie sogar ein Schild draußen hängen, dass alles Voll ist. Nach einem Gespräch mit Steve erfahren wir dann auch wieso. Anscheinend ist ihre Genehmigung ausgelaufen und deshalb ist der Campingplatz aktuell nur so halb legal. Deshalb bemühen sie sich im Moment auch nicht, viele Leute zu beherbergen. Insgesamt waren nur drei Pärchen auf dem Campingplatz während wir da waren. Wir merken langsam, dass es uns ein bisschen langweilig wird und freuen uns schon auf unser nächstes Ziel. Wir wollen in die etwas kühleren Berge Montenegros fahren, um zu wandern. Ein obligatorisches Stay Tuned!
















