29.05 – 09.06
Der Abschied von der kleinen Farm in den Bergen fällt uns sichtlich schwer. Wir wissen jedoch auch, dass wir gehen müssen, um noch etwas von Bolivien sehen zu können. Immerhin ist der Flug nach Deutschland im Juni schon gebucht. Als wir uns von den anderen verabschieden, ist es Abend und die Stimmung ist ausgelassen. Es wird Pizza gemacht und Pisco Sour getrunken. Das macht es uns nicht gerade leichter. Wir spielen mit dem Gedanken, einfach ohne Verabschiedung zu gehen, um den Abschied nicht noch schwerer zu machen. Schließlich entscheiden wir uns doch dagegen und verabschieden uns von allen. Wir müssen uns ein Tränchen verdrücken, als wir das Tor hinter uns schließen. Dieser utopische Ort schien uns so losgelöst von unserer kapitalistischen Gesellschaft, dass es fast zu schön war, um wahr zu sein. Aber nun genug der Trauer, denn unser nächstes Abenteuer wartet schon auf uns. Wir wollen mit dem Nachtbus nach Bolivien fahren, genauer gesagt nach Copacabana, das am wunderschönen Titicacasee liegt.
Gesagt, getan. Wir fahren nach Cusco, um dort um 22:30 Uhr abends in den Nachtbus zu steigen. Die Fahrt verläuft ohne besondere Vorkommnisse und wir kommen früh morgens an der Grenze zu Bolivien an. Während es bei manchen Grenzkontrollen stressig zugeht, ist hier davon keine Spur. Wir sind die Einzigen dort und alles geht schnell vonstatten. Dann fahren wir nochmal 15 Minuten mit dem Bus und schon sind wir in Copacabana. Hier wollen wir nur eine Nacht bleiben, bevor wir uns zur Isla del Sol aufmachen. Unser Zimmer in Copacabana ist wieder wunderschön: eine mit viel Liebe gestaltete Unterkunft mit grasenden Alpakas im Garten, denen man von der Hängematte aus zusehen kann. Vom riesigen Zimmerfenster aus haben wir direkten Blick auf den Titicacasee. Ein bisschen freuen wir uns schon, wieder in der Zivilisation zu sein und endlich unsere Klamotten waschen lassen zu können. Auf der Farm gab es nur eine Waschmaschine mit kaltem Wasser, weshalb nichts wirklich sauber wurde. Wir genießen den sonnigen Tag und machen uns dann am nächsten Tag mit der Fähre auf den Weg zur Isla del Sol (Sonneninsel), die sich auf dem riesigen Titicacasee befindet. Die Fahrt dauert circa 1,5 Stunden. Den Mythen nach ist die Isla del Sol die Wiege der Inka. Laut Legende schickte der Sonnengott Inti seine Kinder Manco Capac und Mama Ocllo auf die Insel zur Erde. Von hier aus zogen sie aus, um das Reich der Inka zu gründen. Die Sonneninsel gilt damit als Ursprung des Inka-Imperiums.
Als wir ankommen, steht uns erstmal eine Kletterpartie bevor. Es gilt, einige Treppen zu steigen, bevor wir unsere Unterkunft erreichen. Aufgrund der Höhe, auf der der Titicacasee liegt (3.800 Meter), sind wir schnell außer Atem. An der Unterkunft angekommen, müssen wir uns erstmal ausruhen. Vor unserem Zimmer gibt es eine Terrasse mit Stühlen und einem Ausblick auf den See und die dahinter liegenden schneebedeckten Anden. Neben uns grast friedlich ein Esel. Hier ist die Welt wirklich noch in Ordnung! Die nächsten Tage erkunden wir die Insel. Wir begegnen vielen Alpakas, Eseln, Schafen und traditionellen Bauern. Besonders die Frauen mit ihrer farbenfrohen Tracht und den langen schwarzen Zöpfen sehen wunderschön aus. Am zweiten Tag planen wir eine große Wanderung zum Norden der Insel. Als wir in dem dortigen Dorf ankommen, hören wir eine etwas schief klingende Blaskapelle, die immer wieder die gleichen Lieder spielt. Manche Melodieteile erinnern uns an das Lied von Pippi Langstrumpf. Bestimmt kein Zufall, denken wir, denn der Vater von Pippi Langstrumpf lebt laut kurzer Internetrecherche auf dem Titicacasee. Die drei Tage auf der schönen Sonneninsel (der Name ist übrigens Programm, denn hier scheint die Sonne wirklich immer) vergehen wie im Flug und wir machen uns mit einem weinenden und einem lachenden Auge auf den Rückweg, um in die bolivianische Hauptstadt La Paz zu fahren. Hier bleiben wir jedoch nicht, sondern steigen gleich in den nächsten Nachtbus. Es geht nach Sucre, das auch die weiße Stadt Boliviens genannt wird.












Als wir mit dem Nachtbus morgens ankommen, nehmen wir erstmal den halbstündigen Marsch zu Fuß zu unserer Unterkunft in Kauf. Schnell merken wir, dass die Stadt ganz schön voll von getunten Autos und ohrenbetäubenden Motorrädern ist. Das macht den Charme der Stadt ganz schön kaputt, finden wir. Aber immerhin sind wir von unserer Unterkunft mehr als positiv überrascht. Sie befindet sich in der Nähe des gepflegten Hauptplatzes. In dem alten kolonialen Gebäude mit ruhigem Innenhof fühlen wir uns gleich pudelwohl. Auch die Inneneinrichtung besteht aus antiken Möbeln. Wir haben einen riesigen Balkon für uns inklusive eigener, gut ausgestatteter Küche. Im Nachhinein sind wir froh, die Unterkunft gebucht zu haben, denn wir werden dort mehr Zeit verbringen, als uns lieb ist, da Kathi zum ersten Mal während der Reise krank wird. Deshalb unternehmen wir in Sucre gar nicht so viel. Am letzten Tag, als es Kathi schon besser geht, machen wir jedoch einen Ausflug in den nahegelegenen Dinosaurierpark. Interessanterweise befindet sich nämlich in Bolivien die größte Anzahl an versteinerten Fußabdrücken von Dinosauriern weltweit. Ehrlich gesagt wussten wir gar nicht, dass es sowas überhaupt gibt. Deshalb waren wir umso neugieriger auf den Ausflug. Zunächst erklärt uns unser Guide, welche Art von Dinosauriern hier lebten und erläutert interessante Fakten über deren Leben und Sterben. Wenig später geht es zum interessanten Teil. Wir bekommen zum Schutz unserer Köpfe einen Helm aufgesetzt und begeben uns zum archäologischen Fundort der Fußabdrücke. Die Mittagssonne prallt auf uns herab und der staubige Untergrund wird bei jedem Schritt aufgewirbelt. Wir befinden uns vor einer riesigen grauen Wand. Hätte der Kalk in der Wand nicht zu viel Quarz enthalten, um daraus Zement zu machen, wären die Bagger des Steinbruchs bei Sucre in Bolivien noch heute am Werk – und die Sensation wäre nie entdeckt worden. So aber hatten die Geologen und Paläontologen Glück: Sie fanden bei der Zementfabrik, die neben dem jetzigen Park ist, über 5.000 Abdrücke von Dinosauriern. Auch für Laien ist die 110 Meter hohe und anderthalb Kilometer lange Wand ein spannendes Ausflugsziel: Mit bloßem Auge lassen sich zahlreiche Spuren der Urzeittiere entdecken. Wie spannend! Unser Guide erklärt uns außerdem, warum sich die Spuren an einer Wand statt auf dem Boden befinden. Anscheinend handelte es sich bei der jetzigen Wand um ein ehemaliges Flussufer. Im schlammigen Boden drückten sich die Abdrücke der Dinos tief in den Matsch. Dann erfolgte eine Verschiebung der Kontinentalplatten, woraus auch die Anden entstanden. Dies führte dazu, dass sich der Boden hob und sich das Flussufer in eine senkrechte Mauer verwandelte. Die Abdrücke versteinerten dann mit der Zeit und sind deshalb heute noch sichtbar. Wir sind ganz begeistert von den vielen interessanten Eindrücken und kehren zu unserer Unterkunft zurück, um zu packen. Am nächsten Tag machen wir uns nämlich auf zu unserem letzten Bolivien-Abenteuer und gleichzeitig Highlight: Wir nehmen den Nachtbus nach Uyuni. Die Stadt ist nach der angrenzenden Salzwüste benannt. Es ist das größte Salzplateau weltweit.





Als wir um 5 Uhr morgens in Uyuni ankommen, merken wir erst, wie kalt es hier ist. Die Stadt befindet sich auf einer Höhe von 3.650 Metern. Wir hoffen, dass wir trotz der frühen Uhrzeit unser Zimmer schon beziehen können, ansonsten würden wir draußen erfrieren. Kathi hatte dem Hotel jedoch schon vorab über die frühe Ankunft Bescheid gegeben. Wir haben trotzdem ein schlechtes Gewissen, als wir die Besitzerin aus dem Schlaf klingeln müssen. Jedoch klappt alles wie am Schnürchen und wir werden sogleich in unser Zimmer gebracht. Wir sind überrascht, als wir eintreten und die warme Heizung entdecken. Das können wir jetzt gut gebrauchen. Nach einer heißen Dusche legen wir uns wieder ins Bett und schlafen nochmal ein paar Stunden. Den Tag verbringen wir damit, nach einer Tour in die Salzwüste am nächsten Tag zu suchen. Wir klappern verschiedene Anbieter ab, um das beste Angebot zu ergattern.
Dann geht es am nächsten Tag auch schon los. Der erste Stopp ist der sogenannte Friedhof der Züge. Der Ort am Rand der Salzebene, wenige Kilometer vom Stadtzentrum entfernt, gilt als größter Eisenbahnfriedhof der Welt. Er diente dazu, Rohstoffe wie Natriumnitrat und andere Salze, aber auch Metalle wie Kupfer, Silber und Gold, aus den Minen im Landesinneren in die Hafenstädte am Pazifischen Ozean zu transportieren. Etwa in den 1940er Jahren brach die örtliche Industrie zusammen, die meisten der Edelmetallminen wurden von den Betreibern aufgegeben. Dies führte dazu, dass auch die dafür angelegten Versorgungstrassen sowie die meisten der Lokomotiven und Wagen nicht mehr benötigt, stillgelegt und dem Verfall preisgegeben wurden. Insgesamt befinden sich rund 100 Lokomotiven und Wagen auf dem Eisenbahnfriedhof, die ältesten stammen aus dem ausgehenden 19. Jahrhundert. Neben der Korrosion, die jedoch dank des örtlichen Klimas nur langsam voranschreitet, sowie dem Salz aus dem Salar de Uyuni schädigen auch die Anwohner die Fahrzeuge, indem sie diese zur Beschaffung von Altmetall gebrauchen. Viele der Lokomotiven und Waggons wurden zudem mit Graffiti versehen.




Danach besuchen wir eine familiär geführte Salzfabrik und einen Markt mit handgemachten Souvenirs aus Salz und Alpakawollem und begeben uns anschließend endlich in die Salzwüste.




Nach dem Mittagessen geht es weiter zur Insel Incahuasi. Dieser Ort ist bekannt, weil er mitten in den Salt Flats liegt und für seine riesigen Kakteen, von denen einige bis zu 12 Meter hoch werden können und bis zu 1200 Jahre alt sind. Von oben aus betrachtet genießen wir den Weitblick auf die große Salzwüste, die von dort aus wie ein grenzenloses Meer wirkt. Ein surrealer Ort! Auch für die Inka war dieser Ort heilig, da sie dort Opfergaben an ihre Götter offerierten.






Die letzte Station ist dann ein Ort in der Salzwüste, an dem der salzige Boden mit ein paar Zentimetern Wasser bedeckt ist. Somit spiegeln sich die untergehende Sonne und der Himmel im Boden. Unser Guide überrascht uns dann noch mit einer Flasche Rotwein, Snacks und kitschiger Musik aus seinem Auto. So schauen wir uns mit den drei restlichen Personen aus unserer Tour den Sonnenuntergang an. Die vielen Rottöne, die sich im Boden spiegeln, verändern sich sekündlich. Welch ein tolles Naturschauspiel. Zusammen mit dem kleinen Rausch vom Rotwein wirkt das Ganze natürlich noch intensiver! Unser Guide animiert uns, diverse Posen einzunehmen und dreht lustige Videos von uns, die ihr euch unten ansehen könnt. Ein toller Abschluss des Landes an einem nahezu perfekten Ort, nur die Kälte ist nach Sonnenuntergang wieder ganz schön nervig.








Noch am selben Abend beginnen wir unsere ca. 24-stündige Reise zurück nach Peru, genauer gesagt in die wunderschöne und wärmere Stadt Arequipa. Bleibt dran, um unsere vorerst letzte Station vor unserem kleinen Heimaturlaub in Deutschland kennenzulernen!